In Wiehl im Bergischen Land liegt das einzige Museum Deutschlands, das sich der Schreibkultur verschrieben hat. Es gehört Martin Heickmann, der uns durch seine
liebevoll angelegte Sammlung führt. Er erzählt uns von der Entwicklung vom römischen Stilus bis zur Schreibfeder aus Stahl, gespickt mit vielen Anekdoten und spannenden Details.
Schon der Duft lädt zum Verweilen ein. Es riecht nach Papier, nach Büchern – und nach dem Feuerholz, das im Ofen knistert. Wir befinden im Museum für Schreibkultur in Wiehl, mitten im Bergischen
Land in Nordrhein-Westfalen. Martin Heickmann hat uns die Türen des alten Kirchguts geöffnet, das eine behagliche Ruhe ausstrahlt.
Über 450 Jahre gibt es das Anwesen im Fachwerkstil schon – und somit ist es ein passender und wunderschöner Rahmen für die Ausstellungsstücke, die teilweise bereits Jahrtausende alt
sind.
"Ich lebe mit und in dem Museum", erzählt Martin Heickmann. Im Erdgeschoss befinden sich die Ausstellungsräume und das Schreibatelier, im ersten Stock sind die Privaträume der Familie. Die Stimmung ist heimelig: Martin Heickmanns Hund streift um unsere Beine und wir erwischen uns dabei, wie wir die Romantitel in den privaten Bücherregalen unter die Lupe nehmen.
Wir beginnen bei den Anfängen der Schrift: Martin Heickmann zeigt uns einen Stilus, mit dem die alten Römer Nachrichten in kleine Wachstäfelchen geritzt haben. Diese sind vielleicht die ältesten
Notizbücher der Welt: Mit einem kleinen Spachtel konnte das Wachs wieder glatt gestrichen und eine neue Botschaft eingeritzt werden. Danach erzählt uns der Experte von den Anfängen des
Bleistifts:
"Etwa 1550 markierten in Großbritannien Schäfer ihre Tiere mit bleiartigem Material. Es hielt sehr gut auf der Wolle und so kam man auf die Idee, es zum Schreiben zu verwenden. Eigentlich handelte es
sich bei dem Material um Graphit und nicht um Blei – die Bezeichnung ‚Bleistift‘ ist dennoch bis heute erhalten geblieben. "
Auf unserer Reise durch die Schreibkultur versuchen wir herauszufinden, wann die Menschen auf die Idee kamen, mit Federkielen und Tinte zu schreiben. Martin Heickmann erzählt, dass Isidorus von
Sevilla im 17. Jahrhundert das erste Mal Federkiele urkundlich erwähnt. "Wir können aber davon ausgehen, dass Federkiele schon lange vorher als Schreibgeräte verwendet wurden."
Mit der Industrialisierung kam die Massenproduktion
Er zeigt uns Federmesser aus dem Mittelalter, schriftliche Anleitungen, wie man die Schreibfedern am besten schneidet und kleine Maschinen, die diese Arbeit übernahmen. "Eine Feder so zuzuschneiden,
dass man gut damit schreiben kann, ist nämlich wirklich eine Kunst für sich", erklärt er.
Im Laufe der Zeit lernten immer mehr Menschen lesen und schreiben. Die Industrialisierung und die Einführung der Schulpflicht beschleunigten diese Entwicklung. Dementsprechend wurden sehr schnell
immer mehr Federkiele benötigt.
"In der Bank of England verbrauchte Anfang des 19. Jahrhunderts ein professioneller Schreiber drei Federn pro Tag", erzählt Martin Heickmann. "Damit kam man auf eine Millionen Schreib-federn pro Jahr
– das muss man sich mal vorstellen!"
Schöne, große Federkiele mit gebauschten Federn, wie wir sie aus historischen Filmen kennen, dienten übrigens nur zu Show – im Obersten Gerichtshof der USA, dem Surpreme Court, liegen beispielsweise
bis heute große Schreibfedern zur Deko auf dem Richtertisch. "In der Praxis stören die Federn extrem beim Schreiben, deswegen wurden sie für normale Federkiele immer entfernt", verrät Martin
Heickmann.
Schreibfedern und Zubehör waren Statussymbole
Ab den 1820er Jahren kamen in Großbritannien die ersten Stahlfedern auf den Markt, in Deutschland waren sie vermutlich ab den 1840er Jahren zu haben. Nach und nach lösten sie die Federkiele als
Schreibgerät ab. Der Schreibexperte zeigt uns simple, einfach geformte Stahlfedern aber auch kleine Kunstwerke, bei denen die Feder wie eine Hand, ein Gesicht oder gar der Eiffelturm geformt sind.
"Ich habe ein besonderes Interesse an Stahlfedern mit Portraits entwickelt", so Heickmann. "Es gibt welche mit Bismarck, Columbus oder Kaiser Wilhelm II. – manchmal haben sich die Fabrikanten der
Stahlfedern auch selbst verewigt!"
Die Menschen waren kreativ und erfinderisch, wenn es um die Gestaltung von Schreibfedern und dem Zubehör ging: Martin Heickmann zeigt uns Tintenfässer in Form von kleinen Wunderlampen oder mit
cleveren Verschlussmechaniken. Er besitzt Federhalter aus Elfenbein oder solche, die mit kunstvollen Holzschnitzereien verziert sind. "Die Gegenstände waren nicht nur zweckmäßig, sie dienten auch als
Statussymbole."
Mit der Massenproduktion kamen auch die Marketingprofis: Martin Heickmann zeigt uns diverse Produkte und Werbemittel vom Unternehmer Friedrich Soennecken: Er verkaufte nicht nur Schreibfedern, sondern vertrieb auch Infohefte
"Wie wählt man seine Schreibfeder?", verkaufte seine Produkte ins Ausland, verteilte Prospekte und produzierte Infofilme. Die Marke Soennecken gibt es übrigens bis heute – auch in unseren Geschäften in Mülheim-Kärlich und Koblenz.
Nur Stahlfedern wird man im Soennecken-Sortiment nicht mehr finden…
Martin Heickmann sammelt seit 30 Jahren alles rund um das Thema Schreibkultur. Er ist aber nicht nur Theroetiker, sondern auch Praktiker. Überall im Museum findet man kalligrafische Werke von ihm:
eingerahmt an der Wand, direkt auf die Wand aufgetragene Schriftzüge oder Entwürfe auf seinem Schreibtisch.
Und er gibt sein Wissen weiter! Er führt nicht nur kostenlos durch das Museum, sondern bietet bei entsprechender Teilnehmerzahl auch Kalligrafie-Workshops an.
Wer also mal im schönen Bergischen Land unterwegs ist, kann sich für eine Reise durch die Geschichte des Schreibens anmelden:
Museum für Schreibkultur
Koppelweide 2
51674 Wiehl
amheickmann(at)t-online.de
02262/7510590
Wir danken Herrn Heickmann das er sich die Zeit genommen hat. Wir wünschen alles Gute und noch viele tolle Fundstücke für sein heimeliges Museum!